Das Imposter-Syndrom –
und was du dagegen tun kannst
„Wenn du anfängst an dir selbst zu zweifeln, haben schlechte Menschen gute Arbeit geleistet.“
– Unbekannt
Bin ich eine Hochstaplerin?
Wenn du dir selbst diese Frage stellst, sind die Chancen recht hoch, dass du keine Hochstaplerin bist, denn ‚echte‘ Hochstapler/innen würden sich diese Frage definitiv nicht stellen.
Doch warum stellen sich Menschen diese Frage, obwohl sie es doch überhaupt nicht müssten?
Die Antwort: Sie leiden wahrscheinlich unter dem sogenannten Imposter-Syndrom.
Das Imposter-Syndrom (von eng. Imposter: „Hochstapler/in“) ist ein Phänomen, bei dem sich Menschen trotz ihrer Erfolge, Errungenschaften und Fähigkeiten als nicht erfolgreich und kompetent betrachten und sich daher vorkommen, als würden sie sich selbst und insbesondere anderen Menschen wie Familie, Freund:innen, Vorgesetzten und Kolleg:innen, etwas vormachen. Dem liegt in erster Linie Selbstzweifel zugrunde, aufgrund dessen man sich und die eigenen Fähigkeiten und Expertise nicht realistisch und objektiv einschätzt. Begleitet wird diese verzerrte Wahrnehmung von der stets begleitenden Angst mit seinen lediglich „vorgetäuschten“ Fähigkeiten aufzufliegen – diese Sorge vor dem Auffliegen und damit der „Bestätigung” über die eigene wahrgenommene Inkompetenz ist eine typische Begleiterscheinung des Imposter-Syndroms.
Typische Gedankenmuster können dabei sein:
- „Wem mach ich was vor; ich kann ja doch nichts.“
- „Die Anderen denken bestimmt – und das zurecht, dass ich inkompetent bin.“
- „Ich komme mir vor wie ein:e Hochstapler:in, irgendwann wird es auffliegen!“
Wenn du solche oder ähnliche Gedanken hast, dann bist du damit gar nicht so allein. Ca. 2/3 aller Menschen hegen immer wieder mal Gedanken, die in diese Richtung gehen. Es bestand lange die Vermutung, dass besonders Frauen davon betroffen seien. Eine Studie von 2022 belegt jedoch, dass die Neigung zum Hochstapler-Phänomen völlig unabhängig von Alter und Geschlecht auftritt. Wo jedoch ein Geschlechtsunterschied vorliegt und mit dem Hochstapler-Syndrom im indirekten Kontakt steht, sind die Selbstzweifel und Versagensängste. Jede 5. Frau (oder 20% der Frauen) leidet regelmäßig unter Selbstzweifeln (bei Männern sind es nur 14%, jeder siebte); 33% der Frauen (23% der Männer) fühlen sich nach Kritik niedergeschlagen und 27% der Frauen (23% bei Männern) machen sich Sorgen/Gedanken, was andere wohl über sie denken (GfK Marktforschung).
Hauptgrund dafür ist ein geringes Selbstwertgefühl.
Dass du dich mit anderen vergleichst, Selbstzweifel hast, zu wenig Selbstvertrauen in dich und deine Fähigkeiten hast und sehr selbstkritisch bist, liegt letztlich an einem geringen Selbstwertgefühl. Rufen wir uns zu dieser Gelegenheit noch einmal die Selbstwert-Säulen ins Gedächtnis. Wie wir wissen, besteht der Selbstwert aus 5 Säulen:
- Selbstfürsorge,
- Selbstakzeptanz,
- Selbstvertrauen,
- Selbstwirksamkeit und
- soziales Eingebundensein

Schön und gut, aber wo ist jetzt der Zusammenhang mit dem Imposter-Syndrom? Das Imposter-Syndrom als Auswirkung eines geringen Selbstwert ist genauer genommen die Auswirkung der schwach aufgeprägten Säule Selbstvertrauen. Aus dem mangelnden Selbstvertrauen bilden sich dann Glaubenssätze oder innere Überzeugungen wie
- „Wenn ich den Workshop leite, fällt allen auf, dass ich das gar nicht kann.“
- „Ich traue mir nicht zu, das Projekt zu leiten.“
- „Ich kann doch niemals xx Tausend € in der Gehaltsverhandlung verlangen, dafür bringe ich (trotz x Jahre Berufserfahrung) nicht genug Erfahrung mit.“
- „Ich habe Angst, vor anderen den Projektstand vorzutragen.“, usw.
Die Folgen sind verheerend.
Mit diesen von Selbstzweifel geprägten und aus einem Mangel an Selbstvertrauen resultierenden Gedanken stehst du dir selbst im Weg und verhinderst, dein Gedankenmuster zu korrigieren und jene Glaubenssätze zu revidieren. Damit behalten sie weiter Gültigkeit, da sie keine Möglichkeit bekommen, durch positive Erfahrungen und Feedback ersetzt und korrigiert zu werden.
Je mehr Erfolg du hast, desto sichtbarer wird dieser nach außen, was dich wiederum, umso mehr stresst und in immer größere Sorge verfallen lässt vor dem großen Knall, der folgt, wenn es letztlich auffliegt, dass du eigentlich doch nichts kannst… dass du eben eine Hochstaplerin bist.
Ich selbst kenne das auch. Auch ich gehöre zu denen, die sehr selbstkritisch sind und Angst davor haben, dass das eigene Wissen und die eigene Expertise nicht ausreichen.
Wem soll das geilste Programm etwas bringen, wenn niemand davon weiß, weil ich mich vor der Sichtbarkeit scheue.
Als ich vor einigen Jahren angefangen habe Trainings für Führungskräfte aber auch für Privatpersonen zu geben, hatte ich immer wieder Bedenken, dass mein Wissen nicht reicht, um vor den Menschen zu sprechen und diese zu ‚trainieren‘. Auch das beste Feedback ist lange Zeit nicht zu mir durchgedrungen. Gedanken wie „Die sind ja nur nett. Das sagen die bestimmt nur so. Das hätten andere auch gekonnt.“ sind leider mir nicht unbekannte Sätze. Mit der Zeit, der Erfahrung und vor allem der Arbeit an mir, meiner Persönlichkeit, meinem Mindset, meinem Selbstwert und den damit zusammenhängenden Glaubenssätzen habe ich gelernt, an mein Können zu glauben und darauf zu vertrauen.
Mit der Scheu vor anderen zu sprechen, sich hervorzutun, sichtbar zu werden, geht häufig auch der Perfektionismus und das Prokrastinieren (also Dinge, die man heute erledigen könnte, auf einen späteren Zeitpunkt vertagen) einher.
Wenn du z.B. eine Kollegin mit der Zulieferung einer Aufgabe vertröstet, weil du dich nicht an die Aufgabe traust, dann kann dies auch die Erwartung der Kollegin steigern und damit den Druck für dich nur erhöhen. Stell dir vor, die Kollegin wartet bereits seit 6 Tagen auf eine Aufgabe, die eigentlich schnell erledigt wäre. Mit deinem Aufschieben kommen schnell diese Gedanken und Erwartung bei ihr auf, dass die Aufgabe nach einer schon so langen Verzögerung nun auch richtig gut erledigt sein muss. Damit schießt du dir letztendlich ein Eigentor und fühlst dich obendrein noch in deiner Einstellung, nicht zu genügen oder inkompetent zu sein, bestätigt, und voilà: die Imposter-Syndrom-Spirale ist aktiviert.
Deswegen ist es so wichtig, den eigenen Selbstwert auszubauen und zu stärken.
Wie wäre eine Welt ohne Imposter-Syndrom und Selbstzweifeln?
Mehr Selbstständige und Unternehmer:innen, bessere Bezahlung von Frauen, mehr Frauen in Führungspositionen und Politik, dadurch auch eine feministischere Außenpolitik (schau dazu bei Interesse auch mal nach Kristina Lunz auf Insta) und mehr Weltfrieden?
Okay, stop! Das ist jetzt etwas spekulativ (auch wenn die Daten für sich sprechen): Länder mit weiblichen Staatsoberhäuptern haben die Corona-Krise besser bewältigt, sind demokratischer, haben eine bessere Bildung und wenden seltener militärische Gewalt an und geben mehr Geld für soziale Sicherung und Wohltätigkeit aus.
Du siehst also: weniger Imposter-Syndrom, mehr Chancen für dich, deinen Job und die Welt 😉
Was nun aber kann dir dabei helfen, dem Imposter-Syndrom weniger ausgesetzt zu sein?
Zum Abschluss dieses Artikels möchte ich dir noch einige Tipps und Übungen mit auf den Weg geben, wie du dich immer mehr aus der Gedankenspirale des Imposter-Syndroms und von Selbstzweifeln lösen kannst.
1. Ändere deinen Fokus. Versuche neue Gedankenmuster zu etablieren (die neuronalen Pfade in deinem Gehirn sollen peu à peu durch ständige Wiederholung und Aktivierung dieser Gedanken(pfade) zu leicht‘ ‚befahrbaren Autobahnen‘ ausgebaut werden). Und das schaffst du nicht, wenn du dir z.B. immer wieder sagst „Ich soll nicht zweifeln.“. Unser Gehirn kann das Wort ‚nicht‘ nämlich nicht verarbeiten. Wenn ich dich jetzt bitten würde, nicht an einen pinken Elefanten zu denken, erzeugt dein Gehirn ein Bild von einem pinken Elefanten. Und so ist das auch mit „Ich soll nicht zweifeln.“ Im Kopf bleibt hängen „zweifeln“. Du könntest lieber sagen „Ich denke jetzt daran, wie ich xy schaffe.“ oder „Ich glaube an mich.“
2. Führe ein Erfolgstagebuch, in dem du deine täglichen Erfolge festhältst und dir z.B. notierst: wie habe ich zu xx beigetragen, was war mein Beitrag dazu? Es können auch Kleinigkeiten sein.
3. Suche Belege, die gegen deine irrationale Annahme sprechen, dass du eine Hochstaplerin bist. Notiere dir Lob und positives Feedback. Notiere dir Situationen, die du (gut) gemeistert hast. Auch wenn unser Verstand meist von der emotionalen, irrationalen Seite übertönt wird, kann das sich Bewusstmachen und visuelle Vor-Augen-Führen, dabei helfen, Lob und positives Feedback zu verinnerlichen und negative Glaubenssätze zu überschreiben.
4. Nimm Komplimente an. Bedanke dich dafür und lass es stehen! Menschen, die authentisch ein Kompliment gemacht haben, wollen dir ein Geschenk übergeben und da ist es nicht schön, das Geschenk abzutun und zu relativieren à la „Ach, das kann doch jede/r.“
5. Sei nicht zu perfektionistisch. 90% ist manchmal auch ausreichend. Leg dir ein Zeitlimit fest und danach ist es ‚fertig‘ zur Abgabe.
6. Vergleiche dich nicht mit anderen. Die Einzige, mit der du dich vergleichen darfst, ist die gestrige Version von dir J
7. Mache dir bewusst, dass dich Fehler nahbar und menschlich machen. Kein Mensch ist perfekt.
Zu guter Letzt, hier noch einige Buchempfehlungen zum Thema Imposter-Syndrom und Aufbau von Selbstvertrauen:
Buchempfehlungen
- Und morgen fliege ich auf – Dr. Michaela Muthig
- Be your f* hero – Tijen Onaran & Dagmar Zimmermann
- Unf*ck yourself – Gary John Bishop
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